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Zwei junge Frauen im Gespräch an einem Schreibtisch

Ist das wirklich inklusiv?

Eine Behinderung zu haben bedeutet in unserer Gesellschaft noch immer, im Erwerbsleben benachteiligt zu werden. Besonders Menschen mit schwerer Behinderung haben ein hohes Risiko ungewollter Erwerbslosigkeit. Menschen mit Behinderung sind tendenziell häufiger und auch länger von Erwerbslosigkeit betroffen als Nicht-Beeinträchtigte und haben weniger Chancen auf eine (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt. Auch die Entgeltsituation stellt sich deutlich ungünstiger dar als die der Vergleichsgruppen ohne Behinderung.

Was erwarten wir von der Gesellschaft in Bezug auf Inklusion?
Eine Inklusive Gesellschaft, im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigt von vornherein die vielfältigen Bedürfnisse aller Menschen, sodass ein gleichberechtigtes Zusammenleben möglich wird. Behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen muss eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden. Eine existenzsichernde Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt trägt entscheidend zur Erreichung dieses Zieles bei. Die ver.di Jugend steht für einen Mindestlohn ohne Ausnahmen. Dies gilt natürlich auch für die Beschäftigten der sogenannten Behindertenwerkstätten. Hierfür bedarf es dringend einer Änderung der gesetzlichen Ausgangssituation.

Auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes schafft Inklusion
Die Hälfte der Beschäftigten mit Behinderung arbeiten an einem Arbeitsplatz der nicht barrierefrei ausgestattet ist. Eigentlich verpflichtet die UN-Behindertenrechtskonvention die Vertragsstaaten für Menschen mit Behinderung dazu, das "gleiche Recht [...] auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen" durchzusetzen. Es muss also sichergestellt werden – so heißt es in der Konvention – "dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden". Die behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes macht nämlich einen großen Unterschied. Dort, wo entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, ergeben sich für die Beschäftigten mit Behinderung größere berufliche Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten – ebenso wie bessere Einkommen. Arbeitgeber*innen müssen in der Gestaltung der Arbeitsplätze auf Barrierefreiheit achten und diese entsprechend der Behinderungen der Beschäftigten anpassen und ausstatten.

Die Berufsausbildung als Einstieg in den Arbeitsmarkt
Das Inklusionsgebot der UN-Behindertenrechtskonvention gilt auch für den Bereich der beruflichen Bildung. Auch wenn es bereits gute Beispiele von betrieblicher Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderung gibt, ist der Handlungsbedarf noch sehr groß. Es bestehen in den Betrieben erhebliche Informationsdefizite über die staatlichen Unterstützungsangebote.  Durch das Teilhabestärkungsgesetz und die daraus entstandenen Änderungen ab dem 1.1.2022 soll eine einheitliche Ansprechstelle für Arbeitsgeber eingerichtet werden. Diese soll zur Information, Beratung und Unterstützung von Arbeitgebern bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen dienen. Diese Möglichkeit muss natürlich auch genutzt werden.
 
Die Berufsausbildung junger Menschen mit Behinderung erfolgt meist häufig auf "Sonderwegen". Sie absolvieren in der Regel eine außerbetriebliche Ausbildung, nehmen an berufsvorbereitenden Maßnahmen teil oder befinden sich im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Sollte sich während der Ausbildung zeigen, dass auch eine Ausbildung in einem regulären Ausbildungsberuf absolviert werden könnte, so muss der Durchstieg ermöglicht werden.
 
Für die Ausbildung von Menschen mit Behinderung gibt es ein eigenes Budget nach §61a des SGB IX. Dieses wurde ebenfalls durch das Teilhabestärkungsgesetz in diesem Jahr erhöht. Dazu gehört explizit auch die reguläre duale Berufsausbildung. Die duale Ausbildung in Betrieben und Verwaltung sollte absoluten Vorrang haben. Echte Inklusion bedeutet Möglichkeiten zu schaffen, die den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zum Ziel hat und die gleichen Zugänge zu diesen Ausbildungsplätzen bereithält. So sind die Chancen beim Berufseinstieg deutlich höher, als nach Ausbildungen in Sondereinrichtungen. Auch der § 64 BBiG schreibt fest, dass Menschen mit Behinderung in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden sollen. Unternehmen müssen, um dieses Ziel zu erreichen, deutlich mehr reguläre Ausbildungsplätze anbieten und jungen Menschen mit Behinderung Zugang dazu ermöglichen.
 
Die ver.di Jugend setzt sich dafür ein, dass alle mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung behinderter Menschen beschäftigten Arbeitnehmer*innen über eine rehabilitations-spezifische Zusatzqualifikation verfügen müssen, welche regelmäßig erweitert werden muss. Um dem Ziel einer inklusiven Ausbildung näher zu kommen, ist es wichtig, dass die gesetzlichen Interessenvertretungen in Betrieben und Dienststellen in Fragen der betrieblichen Berufsausbildung eng zusammenarbeiten.
 
Was macht die schwerbehinderten Vertretung im Betrieb?
Die gewählten Schwerbehindertenvertretungen (SBV) kümmern sich in der Praxis nicht nur um die Belange schwerbehinderter Menschen, sondern sind auch zuständig für die Belange behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen, das heißt potenziell aller Beschäftigten. Zum Aufgabenspektrum der SBV gehört es, zu diversen Anträgen, wie zum Beispiel Anerkennung einer Behinderung oder Gleichstellung sowie Anträgen zu Teilhabeleistungen, zu beraten. Die Beratung und Betreuung von Menschen mit Behinderung gestaltet sich in jedem Fall individuell. Der Arbeits- und Zeitaufwand in der Zusammenarbeit mit Behörden und Leistungsträgern ist sehr umfangreich. Und er ist für die Betroffenen spürbar wirksam: In Betrieben mit einer Schwerbehindertenvertretung werden deutlich mehr behinderungsgerechte Arbeitsplätze vorgefunden als in solchen ohne eine gewählte Vertretung. In Betrieben mit einer gewählten Schwerbehindertenvertretung sind die Voraussetzungen für gleiche Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung damit merklich günstiger und somit eine win-win-Situation für alle Beteiligten.
 
Die ver.di Jugend fordert eine faire Behandlung von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt. Besonders in den Ausbildungen bedarf es einer fairen Vergabe von Ausbildungsplätzen in anerkannten Ausbildungsberufen und eine Ausbildungsquote von mindestens 6% für Menschen mit Behinderung.
 
Wenn es im Betrieb vor Ort noch keine Schwerbehindertenvertretung gibt, dich das Thema näher interessiert oder du Beratung oder Unterstützung brauchst, dann melde dich doch bei deiner lokalen ver.di Jugend.
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